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Was sind die Folgen eines Aufklärungspflichtverstoßes?

Steht fest, dass der Arzt den Patienten nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig aufgeklärt hat, so muss der Patient beweisen, dass der eingetretene Gesundheitsschaden durch die Behandlung verursacht wurde, die mangels ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrig war.
 
I. Wer muss den Aufklärungspflichtverstoß beweisen?
 
Behauptet ein Patient, er sei nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden und verlangt er deshalb Schadensersatz, so stellt sich zunächst die Frage, ob er den Aufklärungspflichtverstoß, den er dem Arzt vorwirft, auch beweisen muss. Dies verneint die Rechtsprechung, da ein solcher Beweis dem Patienten in den meisten Fällen gar nicht möglich ist, da das Aufklärungsgespräch im Normalfall unter vier Augen stattfindet und es somit keine Zeugen hierfür gibt, auf die sich der Patient im Rahmen des Beweises berufen könnte. Es kommt also zugunsten des Patienten zu einer Beweislastumkehr.
 
1. Beweislastumkehr und ihre Ausnahme
 
Diese Beweiserleichterung kommt dem Patienten bei allen Aufklärungsarten - mit Ausnahme der therapeutischen Aufklärung bzw. Sicherungsaufklärung - zugute. Dass die therapeutische Aufklärung bzw. Sicherungsaufklärung von der Beweislastumkehr ausgenommen wird hängt damit zusammen, dass diese Aufklärungsart nach ständiger Rechtsprechung den Regeln des Behandlungsfehlers folgt. Ihr Fehlen ist also, wie das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, vom Patienten zu beweisen.
 
2. Beweisanforderungen an den Arzt
 
Bei allen anderen Aufklärungsarten obliegt der Beweis, dass der Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, dem Arzt. Allerdings stellt die Rechtsprechung hier keine allzu hohen Anforderungen an diesen Beweis, so dass es beispielsweise ausreichend sein kann, wenn der Arzt aussagt, er könne sich an das konkrete Aufklärungsgespräch zwar nicht mehr erinnern, er kläre in vergleichbaren Fällen jedoch immer in ausreichendem Umfang auf. Das Argument, dass die Aufklärung sonst immer ordnungsgemäß vorgenommen werde, haben zum Beispiel auch die Richter des Oberlandesgerichts Zweibrücken gelten lassen:
 
"Nach der förmlichen Parteivernehmung des Beklagten aber steht fest, dass ein solches mündliches Aufklärungsgespräch rechtzeitig stattgefunden und der Kläger insbesondere auf die mögliche Verletzung von Nerven hingewiesen worden ist. Zwar hat der Beklagte ausgesagt, sich an das mit dem Kläger geführte Aufklärungsgespräch im Einzelnen nicht mehr erinnern zu können. Er hat indes erläutert, wöchentlich 12 - 15 Operationen der verfahrensgegenständlichen Art durchzuführen. Im Rahmen eines jeden Aufklärungsgespräches erwähne er, dass es durch den Eingriff zu Schäden an Blutgefäßen und Nerven kommen könne; diesen Hinweis gebe er bei jedem Eingriff im Halsbereich, da dies aus seiner Sicht die wichtigsten Punkte bzw. die größten Gefahrenherde seien. Der vom Kläger unterzeichnete perimed-Aufklärungsbogen indiziert, dass ein mündliches Aufklärungsgespräch auch tatsächlich stattgefunden hat, zumal in der Patientenkartei des Beklagten unter dem 28. Mai 2002 vermerkt ist: „OP besprochen“. Der Kläger bestreitet das Gespräch als solches auch nicht. Dem - nachvollziehbaren - Umstand, dass der Beklagte sich bei seiner förmlichen Vernehmung als Partei nicht mehr an das konkrete Gespräch mit dem Kläger hat erinnern können, kommt indes keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Es genügt vielmehr der Nachweis des üblichen Inhalts eines solchen Gesprächs. An den Nachweis der ärztlichen Aufklärung dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden."  (Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 11.10.2005, 5 U 10/05)
 
Dies zeigt, dass es zwar faktisch eine Beweiserleichterung zugunsten des Patienten gibt, dass es dem Arzt jedoch auch nicht zu schwer gemacht wird, ein ordnungsgemäßes Aufklärungsgespräch zu beweisen. Der Hinweis auf die "ständige Aufklärungsübung" in seiner Praxis bzw. in dem betreffenden Krankenhaus reicht oftmals aus, da man nicht von ihm erwartet, dass er sich an jedes einzelne Gespräch erinnert.
 
II. Weitere Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch
 
Ist es dem Arzt trotz der recht geringen Anforderungen nicht gelungen die erforderliche Aufklärung zu beweisen, so müssen noch weitere Voraussetzungen vorliegen, damit der Patient tatsächlich einen Anspruch auf Schadensersatz hat.
 
1. Schaden und Kausalität
 
Durch die medizinische Maßnahme über die fehlerhaft aufgeklärt wurde und die deshalb rechtswidrig war, muss ein Schaden des Patienten verursacht worden sein. Die Maßnahme muss also kausal für den eingetretenen Schaden gewesen sein.
 
Es reicht jedoch nicht für eine Schadensersatzpflicht des Arztes aus, wenn er zwar vergessen hat über bestimmte Risiken aufzuklären, sich in dem Schaden jedoch gerade ein Risiko verwirklicht hat, über welches der Patient aufgeklärt wurde. Schließlich hat der Patient in derartigen Fällen ein ihm mitgeteiltes Risiko bewusst in Kauf genommen und kann deshalb nicht hinterher Schadensersatz geltend machen. Dieser Gedanke liegt auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.06.2006, VI ZR 323/04 zugrunde:
 

"Die oben erörterten Mängel der Aufklärung wirken sich nämlich unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht aus, weil sich mit der Nervschädigung ein Risiko verwirklicht hat über das die Klägerin vollständig - wenn auch im Zusammenhang mit der herkömmlichen Operationsmethode - aufgeklärt worden ist. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat der Zeuge Dr. H. der Klägerin im Einzelnen erklärt, welche Nerven bei der Operation geschädigt werden könnten und wie sich dies auswirke. Er hat dargestellt, dass die Bewegung und Belastung der Beine betroffen sein könne, dass es zu Verrenkungen des Gelenks kommen könne und dass auch die Streckung des Knies beeinträchtigt werden könne, je nachdem welcher Nerv geschädigt werde. Auch die Zeugin C., damals Stationsärztin bei dem Beklagten zu 1, hat die Klägerin bei einem erneuten Aufklärungsgespräch zwei Tage vor der Operation auf die Gefahr einer Nervschädigung hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob auch über andere - hier möglicherweise noch unbekannte - Risiken, die sich nicht verwirklicht haben, hätte aufgeklärt werden müssen, wenn sich (nur) ein Risiko verwirklicht, über das aufgeklärt werden musste und über das auch tatsächlich aufgeklärt worden ist. Denn die Klägerin hat in Kenntnis des später verwirklichten Risikos ihre Einwilligung gegeben. Hat der Patient bei seiner Einwilligung das später eingetretene Risiko in Kauf genommen, so kann er bei wertender Betrachtungsweise nach dem Schutzzweck der Aufklärungspflicht aus der Verwirklichung dieses Risikos keine Haftung herleiten."

Eine Haftung des Arztes kommt also nur dann in Betracht, wenn er gerade über dasjenige Risiko, das sich aufgrund der Maßnahme verwirklicht hat, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat.


2. Entscheidungskonflikt des Patienten - hypothetische Einwilligung


Von ärztlicher Seite kann eingewandt werden, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der durchgeführten Maßnahme entschieden hätte und diese somit nicht mehr die Grundlage für eine Haftung sein könne. Macht der Arzt eine solche hypothetische Einwilligung des Patienten geltend, so muss der Patient darlegen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt dahingehend befunden hätte, ob er die Maßnahme vornehmen lassen soll oder nicht.


Den Entscheidungskonflikt muss der Patient plausibel darlegen, es kommt dabei nicht darauf an, wie er sich in der konkreten Situation entschieden haben würde. Bei der Beantwortung der Frage, ob bei ordnungsgemäßer Aufklärung ein Entscheidungskonflikt vorgelegen hätte oder nicht, ist gerade nicht darauf abzustellen, wie sich ein "vernünftiger" Patient verhalten hätte und ob es bei diesem zu einem Entscheidungskonflikt gekommen wäre. Ausschlaggebend ist allein die konkrete Situation des Patienten. Hierzu und zu der Frage, wer im Prozess eine hypothetische Einwilligung und wer einen Entscheidungskonflikt des Patienten zu beweisen hat, haben die Richter des Bundesgerichtshofs wie folgt Stellung genommen:


 

"Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist in den Fällen, in denen der Patient aus einem Aufklärungsversäumnis des Arztes Ersatzansprüche ableitet, die Behauptungs- und Beweislast auf beide Prozessparteien verteilt. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt. Der Arzt ist jedoch erst dann beweisbelastet, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er - wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte.
Das gilt in gleicher Weise, wenn der Arzt den Patienten über mehrere, aus medizinischer Sicht indizierte Behandlungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten und Risiken aufzuklären hat. Auch diese Aufklärung über die bestehenden unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten dient - wie erwähnt - dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ist daher Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung.
Im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Prüfung der Plausibilität eines Entscheidungskonflikts kommt es allein auf die persönliche Entscheidungssituation des konkreten Patienten aus damaliger Sicht an, nicht dagegen darauf, ob ein "vernünftiger" Patient dem entsprechenden ärztlichen Rat gefolgt wäre. Feststellungen hierzu darf das Berufungsgericht grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen. Maßgebend ist insoweit nicht, wie sich der Patient entschieden hätte. Ausreichend ist, dass er durch die Aufklärung in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre. Das wird das Berufungsgericht bei entsprechendem Vortrag der Parteien zu beachten haben." (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.03.2005, VI ZR 313/03)

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