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Wer muss aufklären?

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Patient ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, muss zunächst klar sein, durch wen er überhaupt aufgeklärt werden musste.

 

I. Wer ist grundsätzlich aufklärungspflichtig?

 

Grundsätzlich ist jeder Arzt für diejenigen medizinischen Maßnahmen aufklärungspflichtig, die er selbst durchführt. Dieser Grundsatz gewinnt vor allem in den Fällen an Bedeutung, in denen mehrere Ärzte an der Behandlung eines Patienten beteiligt sind. Zur Veranschaulichung soll eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm dienen, in der die Richter die Aufklärungszuständigkeit des Chirurgen von derjenigen des Strahlentherapeuten abzugrenzen hatten. In dem Urteil heißt es:

 

"Auch hier ist die Schädigung des Plexus brachialis links eindeutig die Folge der 1983 durchgeführten Strahlentherapie, woran auch die Gutachterkommission keinerlei Zweifel hat. Zur Aufklärung über dieses spezifisch radiologische Risiko war allein auch der Radiologe als behandelnder Arzt verpflichtet. Er als Spezialist hatte die Durchführung der Strahlenbehandlung verantwortlich übernommen, bestimmte nach einem genauen Bestrahlungsplan und unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen der Patientin Zeitpunkt, Dauer, Dosis und Lokalisierung der Bestrahlung unter Berücksichtigung und in Abhängigkeit der vorangegangenen Operation mit anschließender Chemotherapie."  (Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 3.3.1993, 3 U 269/92)

 

Grundsätzlich hat also der Operateur über das Operationsrisiko, der Anästhesist über das Narkoserisiko und der Strahlentherapeut über etwaige Strahlungsschäden aufzuklären. Dabei haben Aufklärungsfehler in einem der Bereiche keinen Einfluss auf die Beurteilung der Aufklärung in einem anderen Gebiet. Dass die medizinischen Maßnahmen aus den verschiedenen Bereichen und somit auch die diesbezüglichen Aufklärungsgespräche getrennt zu beurteilen sind, haben die Richter des Oberlandesgerichts Karlsruhe in ihrem Urteil vom 8.10.2003, 7 U 6/02, entschieden:

 

"Eventuelle Mängel der die Anästhesie betreffenden Aufklärung stellen die Wirksamkeit der ordnungsgemäßen Aufklärung über den vom Operateur durchgeführten Eingriff nicht in Frage, denn beide Eingriffe sind selbstständig zu beurteilen."

 

II. Darf der Arzt die Aufklärung an andere delegieren?

 

Kann von dem oben beschriebenen Grundsatz, dass jeder Arzt für die von ihm durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen aufklärungspflichtig ist, abgewichen werden? Ist es also möglich, dass die Aufklärung an andere Personen delegiert wird?

 

Aus organisatorischen Gründen ist die Aufklärungsdelegation prinzipiell möglich, führt jedoch - je nach Einzelfall - zu unterschiedlich ausgeprägten Kontrollpflichten seitens des delegierenden Arztes. Dies soll anhand einiger Beispielkonstellationen erläutert werden:

 

1. Aufklärender Arzt und Operateur sind nicht identisch

 

Der Operateur kann die Aufklärung an einen anderen Arzt delegieren. Damit die Aufklärungspflicht jedoch auf den aufklärenden Arzt übergeht und diesen auch die Haftung für eventuelle Aufklärungsmängel trifft, muss die Delegation zulässig sein.

 

Hierfür ist nicht nur erforderlich, dass der aufklärende Arzt ausreichend mit den medizinischen Gegebenheiten vertraut ist und die für die Aufklärung erforderliche Qualifikation besitzt. Er muss außerdem aufgrund seines Ausbildungsstandes in der Lage sein, die beim Patienten vorliegende Erkrankung sowie die erforderliche Behandlung zu beurteilen. Dies haben die Richter des Oberlandesgerichts Dresden bei einem Assistenzarzt nach mehrmonatiger Tätigkeit und einem ihm vertrauten Eingriff bejaht:

 

"Vorliegend ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Aufklärung durch einen Arzt in der Facharztausbildung durchgeführt worden ist. Der Ausgangspunkt des Klägers ist allerdings zutreffend: Grundsätzlich muss ein Arzt den Patienten aufklären, er darf die Aufklärung nicht auf nichtärztliches Personal delegieren, weil dieses aufgrund fehlender Sachkunde nicht in der Lage ist, den Patienten konkret über die bei ihm anstehende Behandlung und die bei ihm bestehenden Risiken zu belehren. Diese Überlegungen müssen auch auf den Arzt in der Ausbildung übertragen werden, wenn er aufgrund seines Ausbildungsstandes nicht in der Lage ist, die konkret bei dem Patienten vorliegende Erkrankung und die erforderliche Behandlung zu beurteilen. Jedoch durfte der Beklagte dem Zeugen nach diesen Grundsätzen das Aufklärungsgespräch überlassen. Der Zeuge war beim Beklagten seit dem 01.08.1996 in der Facharztausbildung, also zum Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs schon 20 Monate. Das Ganglion hat er zutreffend diagnostiziert, was belegt, dass ihm die Erkrankung des Klägers bekannt war. Gleiches gilt, wie seiner Zeugenaussage zu entnehmen ist, für die von ihm angeratene Operation, die im Übrigen zu den leichteren Eingriffen zählt." (Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 11.7.2002, 4 U 574/02)

 

Die beschriebene Delegation wirkt allerdings nur dann haftungsbefreiend für den delegierenden Arzt, wenn dieser sie so organisiert, dass sie auch tatsächlich stattfindet und er die ordnungsgemäße Durchführung der Aufklärung kontrolliert. Dies wurde auch in folgendem Urteil für eine zulässige Delegation vorausgesetzt:

 

"Selbst der Operateur ist nicht dazu verpflichtet, die Aufklärung persönlich vorzunehmen. Allerdings muss sich der Operateur grundsätzlich vergewissern, dass der Patient aufgeklärt worden ist. Darüber hinaus muss der behandelnde Arzt, der nicht selbst aufklärt, die Information des Patienten durch einen Kollegen so organisieren, dass sie voll gewährleistet bleibt, oder er hat sich zu vergewissern, dass hinreichend aufgeklärt worden und weiterer Aufschluss nicht nötig ist. Eine Delegation wirkt nur befreiend, wenn klare, stichprobenweise kontrollierte Organisationsanweisungen bestehen und auch kein Anlass zu Zweifeln an der Qualifikation des bestellten Arztes auftreten oder aber an einer ordnungsgemäßen Aufklärung im konkreten Fall." (Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 24.5.2006, 7 U 242/05)

 

Besonders strenge Anforderungen an die Kontrollpflicht seitens des delegierenden Arztes haben die Richter des Bundesgerichtshofs in einem Fall gestellt, in dem ein Chefarzt die Aufklärung einem nachgeordneten Arzt übertragen hatte:

 

"An die Kontrollpflicht des behandelnden Arztes, der einem anderen Arzt die Aufklärung überträgt, sind strenge Anforderungen zu stellen. Da dem behandelnden Arzt die Aufklärung des Patienten als eigene ärztliche Aufgabe obliegt, die darauf gerichtet ist, die Einwilligung des Patienten als Voraussetzung einer rechtmäßigen Behandlung zu erlangen, muss er bei Übertragung dieser Aufgabe auf einen anderen Arzt deren ordnungsgemäße Erfüllung sicherstellen und im Arzthaftungsprozess darlegen, was er hierfür getan hat. Dazu gehört die Angabe, ob er sich etwa in einem Gespräch mit dem Patienten über dessen ordnungsgemäße Aufklärung und/oder durch einen Blick in die Krankenakte vom Vorhandensein einer von Patient und aufklärendem Arzt unterzeichneten Einverständniserklärung vergewissert hat, dass eine für einen medizinischen Laien verständliche Aufklärung unter Hinweis auf die spezifischen Risiken des vorgesehenen Eingriffs erfolgt ist."  (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7.11.2006, VI ZR 206/05)

 

2. Aufklärungsdelegation an nichtärztliches Personal

 

Die Aufklärungsdelegation an nichtärztliches Personal befreit den Arzt nicht von seiner Aufklärungspflicht, da bei nichtärztlichem Personal gerade nicht vom erforderlichen medizinischen Kenntnisstand ausgegangen werden kann. So wurde im folgenden Fall ein Arzt seiner Aufklärungspflicht nicht gerecht, weil er die Aufklärung türkischer Patienten zumindest teilweise einem türkischen Krankenpfleger überließ:

 

"Nach den Angaben des Zeugen S. geht diese ergänzende Aufklärung durch den Pfleger (allein) offensichtlich recht weit. Der Zeuge hat bekundet, dass er viele türkische Patienten aufklärt, wenn sie Sprachprobleme haben, und oft wegen der Sprache zur Aufklärung eingeschaltet bzw. gebeten werde, sich speziell um Patienten zu kümmern. Er hält sich zwar grundsätzlich mit Aufklärungen z.B. über Operationsrisiken zurück, wenn kein Arzt dabei ist; er erklärt aber "normalerweise zumindest in groben Zügen den Aufklärungsbogen" sowie "was es bedeutet, wenn noch Nebenoperationen gemacht werden"."  (Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 19.3.1997, 13 U 42/96)

 

3. Ist eine Aufklärungsdelegation an den hinzugezogenen Facharzt möglich?

 

Wird ein Patient an einen Facharzt überwiesen, so kann es grundsätzlich nicht zu einer Aufklärungsdelegation des überweisenden Arztes an den hinzugezogenen Facharzt kommen, da letzterer ohnehin aufklärungspflichtig hinsichtlich der von ihm durchzuführenden medizinischen Maßnahmen ist, an ihn also nicht die eigentlich einem anderen obliegende Aufklärungspflicht delegiert wird. Dafür kann sich der hinzugezogene Arzt im Normalfall auch darauf verlassen, dass der überweisende Arzt den Patienten innerhalb seines Fachbereichs sorgfältig behandelt und eben auch aufgeklärt hat.

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