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Wirtschaftliche Aufklärung

Den Arzt treffen auch in wirtschaftlicher Hinsicht Beratungspflichten gegenüber dem Patienten, die als Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag entstehen. Dies haben die Richter des Bundesgerichtshofs bereits in ihrem Urteil vom 1.2.1983 (VI ZR 104/81) statuiert:

 

"Dass dabei für den Patienten auch die voraussichtlich von ihm zu tragenden Kosten der Behandlungsalternativen eine Rolle spielen, liegt auf der Hand und ist für beide Vertragspartner erkennbar. Auch insoweit ist meist der Arzt der Fachmann, der dem Patienten Entscheidungshilfen geben kann und muss. Hat er einen Privatpatienten vor sich, muss er nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, dass dieser eine private Krankenversicherung eingegangen ist, häufig unter Vereinbarung eines bestimmten Selbstbehalts. Der Arzt weiß - und auch der Beklagte dieses Rechtsstreits nimmt das für sich gar nicht in Abrede -, dass der Krankenversicherer nur die Kosten für notwendige Behandlungen im Rahmen des Versicherungsvertrages erstatten wird."

 

I. Ist der Arzt immer der Fachmann?

 

Vor dem Hintergrund des zitierten Urteils stellt sich die Frage, ob der Arzt im Bereich der Kostenerstattung für ärztliche Behandlungen immer als "Fachmann" bezeichnet und ihm also insoweit die Verpflichtung zur wirtschaftlichen Aufklärung auferlegt werden kann.

 

Vom überlegenen Kenntnisstand des Arztes ist regelmäßig bei Behandlungen von gesetzlich krankenversicherten Patienten auszugehen. Bei diesen nimmt er nämlich die Abrechnungen mit der Krankenkasse laufend selbst vor, verfügt also meist über umfangreiche Erfahrungen in diesem Bereich.

 

Anders sieht es dagegen im Falle der privat krankenversicherten Patienten aus. Hier rechnet der Arzt nämlich direkt mit dem Patienten ab, welcher die Rechnungen dann zwecks Kostenerstattung seiner privaten Krankenversicherung vorlegt. Der Arzt ist also nicht selbst in die Abwicklung zwischen Patient und Krankenversicherung eingeschaltet. Außerdem sind die vertraglichen Ausgestaltungen der privaten Krankenversicherungen so vielgestaltig, dass von dem Arzt hier keine detaillierte Kenntnis erwartet werden kann. Allerdings ist der Arzt auch gegenüber den privat versicherten Patienten zur wirtschaftlichen Aufklärung verpflichtet, wenn er aus seiner bisherigen Erfahrung heraus weiß, dass die Kosten für bestimmte Maßnahmen von privaten Krankenversicherern regelmäßig nicht ersetzt werden oder dies zumindest zweifelhaft ist. Derartige Zweifel an der Erstattungsfähigkeit muss der Arzt im Rahmen der wirtschaftlichen Aufklärung in folgenden Fällen äußern:

 

- Medizinische Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme ist erkennbar zweifelhaft

 

- Bei der medizinischen Maßnahme handelt es sich um eine alternative Methode (z.B. Ozon-Sauerstoff-Eigenbluttransfusion).

 

- Bei der Maßnahme handelt es sich um eine naturheilkundliche Behandlung.

 

Kann der Arzt nach den genannten Kriterien als "Fachmann" bezeichnet werden, so kann sich der Umfang seiner Aufklärungspflicht jedoch dadurch verringern, dass der Patient selbst hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Maßnahme über einen vergleichbaren Kenntnisstand verfügt.

 

II. Berücksichtigung des Kenntnisstandes des Patienten

 

Der Umfang der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht hängt also auch immer vom Kenntnisstand des jeweiligen Patienten ab.

 

Ist für den Arzt absehbar, dass die Kosten für eine bestimmte medizinische Maßnahme nicht von der Krankenkasse übernommen werden, so hat er den Patienten darauf hinzuweisen, wenn er nicht davon ausgehen kann, dass der Patient hiervon bereits Kenntnis hat. Solche Konstellationen, in denen von einem entsprechenden Wissensstand des Patienten ausgegangen werden kann, treten zum Beispiel im Bereich von Schönheitsoperationen auf. Gerade in diesem Bereich ist es nämlich allgemein bekannt, dass die Kosten für derartige Behandlungen vom Patienten selbst zu tragen sind. So haben die Richter des Oberlandesgerichts Stuttgart einen Verstoß gegen die wirtschaftliche Aufklärungspflicht des Arztes unter dem Gesichtspunkt verneint, dass es der Patientin bereits bekannt war, dass die Kosten für Schönheitsoperationen wie Fettabsaugung und Narbenkorrektur von der Krankenkasse nicht übernommen werden:

 

"Der Beklagte muss die erlangten 5.000 DM auch nicht wegen Verletzung der wirtschaftlichen Informationspflicht zurückerstatten. Es gehört zu den Pflichten der Behandlungsseite, einen Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit sie aus ihrer Expertenstellung heraus über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt. Bei einem schuldhaften Verstoß gegen diese wirtschaftliche Aufklärungspflicht kann dem Patienten ein Schadensersatzanspruch zustehen, den er dem Anspruch des Krankenhausträgers auf Bezahlung der Behandlungskosten entgegenhalten kann. Der Kassenpatient erwartet grundsätzlich eine Behandlung nach den Regeln der kassenärztlichen Versorgung. Wenn die Behandlungsseite weiß, dass eine bestimmte ärztliche Behandlung von der gesetzlichen Krankenkasse nicht oder nur unter bestimmten, fraglich vorliegenden Voraussetzungen bezahlt wird, hat sie deshalb den Patienten vor Abschluss des Behandlungsvertrages darauf hinzuweisen. Den von einem niedergelassenen Arzt in ein Krankenhaus eingewiesenen Patienten, der mit einer von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlten kosmetischen Operation rechnet, muss das Krankenhaus deshalb unmissverständlich darauf hinweisen, dass er die Behandlung selbst zahlen muss. Dagegen besteht keine Aufklärungspflicht kraft überlegenem Wissen, wenn der Patient weiß, dass die gesetzliche Krankenkasse nicht bezahlt. Dass die Schönheitsoperation mit Fettabsaugung und Narbenkorrektur von der gesetzlichen Krankenkasse nicht bezahlt werden würde, war der Klägerin bekannt. Sie hat dies in ihrer Anhörung vor dem Senat eingeräumt." (Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 09.04.2002, 1 (14) U 84/2001)

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